Klimagipfel in Paris: Es geht ums Ganze

Autor und Quelle: Florian Harms, Chefredakteur von SPIEGEL ONLINE

Am Montag beginnt der wichtigste Termin des Jahres: In Paris verhandeln 195 Staaten darüber, ob unsere Erde halbwegs gesund bleibt. Die Mächtigen der Welt müssen ihren Bevölkerungen jetzt Opfer abverlangen.

Krieg, Terror, Schuldendrama, Migration – 2015 war ein Jahr der Krisen und brennenden Probleme. Politik wurde zum rastlosen Krisenmanagement mit ungewissem Ausgang. Und obwohl noch viele Brandherde schwelen: Die grösste Herausforderung kommt erst noch. Denn die Krisen dieses Jahres mögen erschütternd sein, doch sie sind geografisch begrenzt. Ab Montag jedoch geht es ums Ganze. Um unseren Planeten, um unsere Zukunft, um die Lebensgrundlage der gesamten Menschheit.

Wir haben es in der Hand: Auf der Klimakonferenz in Paris wird sich beweisen, ob wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz, ob wir unserer Verantwortung für uns und künftige Generationen gerecht werden, unsere Erde halbwegs gesund zu erhalten. Ob wir bereit sind, unser Konsumverhalten zu ändern, auf Bequemlichkeit und Wachstum, auf das ewige Mehr, Mehr, Mehr zu verzichten. Oder ob wir die Natur weiter ausbeuten wollen – mit verheerenden Folgen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben gezeigt, welche gravierenden Folgen die Klimaerwärmung schon jetzt hat. (…).

Es kommt noch schlimmer. Blasen wir im selben Mass wie bisher Abgase aus Kohle-, Öl- und Gasverbrennung in die Atmosphäre, könnte sich das Klima laut Weltklimarat IPCC bis Ende des Jahrhunderts um drei, vier oder noch mehr Grad erwärmen. Dann würden Teile unseres Planeten unbewohnbar werden: durch extreme Dürren, Hungersnöte, Überschwemmungen oder ganz einfach weil der Mensch dauerhafte Temperaturen von 60 Grad Celsius nicht erträgt. Die Folgen des Klimawandels können Konflikte in labilen Staaten verschärfen und noch mehr Menschen zur Flucht treiben. „Der Klimawandel ist an jedem Ort eine Bedrohung für das Leben und unsere Existenz“, schreibt Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon in einem Gastbeitrag auf SPIEGEL ONLINE. Recht hat er.

Auf dem Gipfel in Paris besteht die Chance, dieses Szenario zu mildern. Eine Erwärmung der Atmosphäre um maximal zwei Grad würde das ökologische Gleichgewicht der Erde wohl gerade noch verkraften. Die Delegierten aus 195 Ländern müssen jetzt zeigen, dass sie dieses Ziel wirklich ernst nehmen. Sie sollten einen konkreten Fahrplan beschliessen, wie sie ihre vorgelegten Klimaschutzpläne in einem gemeinsamen Kraftakt ab 2020 verbindlich einhalten. Absichtserklärungen reichen nicht mehr. Schon gar nicht, wenn nach Strich und Faden getrickst wird. Zum Beispiel in China, das offenbar deutlich mehr Klimagase in die Atmosphäre bläst, als es bisher angegeben hat. Aber auch an Grosskonzerne wie Volkswagen, die im Wachstumswahn ihre Kunden betrügen und mühsam erkämpfte Umweltstandards verletzen, sollte dieser Gipfel ein Signal senden: so nicht.

Die Delegationen von Obama, Putin, Li, Modi, Merkel und Co. verhandeln über das Schicksal unserer Welt. Jetzt müssen sie liefern, Weitsicht und Entschlusskraft beweisen – und den Mut, sich auch mit der Wirtschaft ihres eigenen Landes anzulegen, ihrer eigenen Bevölkerung Verzicht zuzumuten. (…).

Der Gipfel könnte zu einem historischen Ereignis werden, wenn er die Basis für einen neuen Pakt legt: China und Indien müssen bereit sein, ihr Wirtschaftswachstum ökologisch nachhaltiger zu organisieren. Und die westlichen Länder, die sich ihren Wohlstand auch auf Kosten des Weltklimas erarbeitet haben, müssen den Geldbeutel weit aufmachen, um Entwicklungs- und Schwellenländern beim Klimaschutz zu helfen.
Ein kluger Hebel für einen dauerhaften Klimaschutz kann ein globaler, fairer und vor allem ehrlicher Emissionshandel sein. Mit einer an den Klimazielen orientierten, strikt begrenzten Menge an Zertifikaten, die Unternehmen untereinander handeln können. Der Preis solcher Zertifikate darf allerdings nicht so gering sein wie jetzt in Europa, sonst greift der Hebel nicht. Und es dürfen auch nicht einzelne Sektoren wie Verkehr oder Landwirtschaft ausgenommen werden.

Am Ende zählen Taten. Nur ein Abkommen mit verbindlichen, nachprüfbaren Zielen zur CO2-Reduktion und Sanktionen bei Verstössen kann die Lebensgrundlage für Millionen Menschen erhalten. (…). Ein mutiger Klimavertrag würde die künftige Migration nach Europa nachhaltiger begrenzen als Zäune und Transitzonen.

Es geht ab Montag in Paris also ums Ganze.

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