Auf einem begrenzten Planeten

Carte blanche

Das Mantra «Wirtschaftswachstum» ist der elementare Treiber für die Umweltzerstörungen. Auf einem begrenzten Planeten kann es kein exponentielles, sprich dauerhaftes Wachstum geben. Nirgends in der Natur wächst ein Organismus unbegrenzt weiter.

Die Entkoppelung von Wachstum und Umweltzerstörung kann generell noch kaum beobachtet werden. Sie funktioniert insbesondere nicht beim CO2-Ausstoss, beim Boden- und Materialverbrauch und bei der Biodiversitätsnutzung.

Dass Fortschritt mit einem gesteigerten Wachstum gleichgesetzt wird, wird immer problematischer. Zudem bedeutet psychologisch betrachtet: Wohlstand ist nicht Wohlbefinden.

Braucht es eine Nachhaltige Entwicklung, die zu einer «Postwachstumsökonomie» führt? Also neue Denkmuster und eine Entschleunigung unseres Lebens, um zukunftstaugliche Entscheide zu ermöglichen?

Vom Konzept zur konkreten Umsetzung?

Cradle to Cradle – von der Wiege bis zur Wiege. Eine Welt ohne Abfälle. Komplett geschlossene Kreisläufe. Nur eine Utopie?

Genug. Nicht immer mehr. Radikal anders. Das ist Suffizienz. Denn das BIP als Indikator einer starken Volkswirtschaft ist ein untauglicher Indikator für unser reales Wohlbefinden.

Intelligente Produkte als taugliche Lösung: EcoDesign – von der Wiege bis zur Bahre. Etwa ein Flugzeugsitz, dessen Stoff am Ende kompostiert werden kann.

Die Effizienz strebt ein möglichst gutes Verhältnis zwischen In- und Output an, sagt aber nichts über den tatsächlichen Verbrauch aus. Frisst der Mehrkonsum (Rebound-Effekt) die Effizienzfortschritte alle auf?

Die Konsistenz verfolgt eine umwelt- und naturverträgliche Produktion. Kritisch lässt sich fragen: In welcher Branche, in welchem Betrieb hat sich das durchgesetzt?

Jürgen Schulz

 

«Wie viu Pfuus verbruche ig u was choschtet’s?»

Heute habe ich ein Couvert der Energie Wasser Bern geöffnet. Zum Vorschein kamen drei Seiten A4, alle beidseitig und ganz dicht mit kleiner Schrift bedruckt und inklusive Einzahlungsschein. Ich beschliesse spontan, diese Rechnung zu studieren und setze mich dazu hin. Bereits nach kurzer Zeit begegnen mir dabei eine Flut von Begriffen, die an den Turmbau zu Babel erinnern…

…Objektnummer (8-stellig), Wirkstrom, Systemdienstleistung Swissgrid, Vertragskonto-Nr., Arbeitspreis Normaltarif, Netznutzung, Stand alt, Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen, Grundpreis, Kunden-Nr., Messpunkt (eine Abfolge mit zwei Buchstaben und 31 Ziffern), Lage, Zähler, ewb.NATUR.Kraft Wasser, Lage, Economy, Bundesabgaben, Mehrwertsteuer-Nummer Tiefbauamt der Stadt Bern, Stadtentwässerung, -2.3%, Spartarif, Rp./kWh…

….kWh?? Darum müsste es doch gehen. Kilowattstunden heisst doch das. Also Anzahl an 1000 Watt pro Stunde Verbrauch an Elektrizität oder Strom.

Ich lege die drei Seiten auf die Seite, reibe mir die Augen und schaue zum Fenster raus. «Wie viu Pfuus verbruche ig u was choschtet’s?» geht mir durch den Kopf. Ich weiss es trotz konzentriertem Studium der ewb-Rechnung immer noch nicht auf Anhieb. Ökostrom fühlt man nicht, sieht man nicht, riecht man nicht. Ökostrom ist wie Atomstrom; den fühlt man auch nicht, sieht man auch nicht, riecht man auch nicht (das ist bei radioaktiver Strahlung auch so…). Auch Kohlendioxid (CO2) sieht man nicht, riecht man nicht, ist sogar ungiftig.

Wie kann so der Atomausstieg, also die Energiewende bis ins Jahr 2050 gelingen? Wie können wir uns in eine 2000-Watt-Gesellschaft verwandeln? 2000 Watt pro Stunde und Erdbewohnerin respektive Erdbewohner wäre Erde-verträglich. Dieses Modell haben «gschidi Chöpf» an der ETH Zürich im Rahmen des Programms Novatlantis ausgerechnet.

Im Internet lese ich: «Novatlantis setzt die neusten Erkenntnisse und Resultate aus der Forschung im ETH Bereich für eine nachhaltige Entwicklung von Ballungsräumen um. Wir zeigen an praktischen Beispielen auf, wie eine nachhaltige Zukunft aussehen kann. In Zusammenarbeit mit Behörden und Unternehmen werden Projekte realisiert, die gesellschaftliche und technische Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigen. Zukunftsweisend, wirtschaftlich und umweltfreundlich. Unser Ziel ist eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen. Hoher Lebensstandard und Komfort dank neuster Technik. Eine intakte Umwelt dank schonender Verwendung der Ressourcen und geschlossenen Stoffkreisläufen. Wir orientieren uns an langfristigen Visionen. Das Jahr 2050 ist unser Zeithorizont.»

Hmm… Also nochmals: «Wie viu Pfuus verbruche ig u was choschtet’s?». Wir müssen möglichst spielerisch, mit Interesse und mit Lust lernen und erfahren, wieviel Energie und Ressourcen wir pro Monat verbrauchen respektive nutzen. Wir wissen ja auch, welches TV-Programm auf welcher Nummer auf der Fernbedienung kommt, was ein Auto an Benzin schluckt, wie hoch unser Lohn pro Monat ist und wieviel unser Handyabo (in etwa) kostet.

Solange wir alle nicht auf Anhieb zum Beispiel sagen können, wieviel Kilowattstunden Strom wir zu Hause pro Monat verbrauchen und wieviel das kostet, wird die Energiewende nicht gelingen.

Jürgen Schulz